Digitaler Wandel im Fleischerhandwerk

Der digitale Wandel erreicht alle Teile der Gesellschaft und verändert diese. Das gilt auch für das Fleischerhandwerk. Er bietet Chancen und Risiken, die es zu erkennen und zu bewerten gilt. Der digitale Wandel kann viele Abläufe in der Fleischerei vereinfachen oder besser steuerbar machen. Er eröffnet neue Märkte oder Gelegenheiten für neue Dienstleistungen, er schafft Freiräume im Betriebsablauf, die vom ohnehin knappen Personal besser für ertragreichere Tätigkeiten genutzt werden können.

Durch neue, digitale Technologien ergeben sich Chancen, die von neuen Anbietern bereits genutzt werden, beispielsweise bei der Nachwuchsgewinnung, beim Online-Handel oder bei der Gewinnung von Neukunden. Es ist daher nötig, sich mit dieser Veränderung systematisch zu befassen, vor allem um Mitgliedsbetriebe, die sich noch nicht mit dem Thema auseinandersetzen, zu interessieren, zu informieren und den Einstieg in den digitalen Wandel zu erleichtern.

Der digitale Wandel ist für den DFV ein Zukunftsthema.

Strategiekreis Digitaler Wandel

Um den Herausforderungen des Digitalen Wandels zu begegnen, dessen Chancen für die fleischerhandwerklichen Betriebe optimal zu nutzen und um interessierten Mitgliedsbetrieben den Einstieg möglichst einfach zu machen, wurde im Sommer 2018 ein Strategiekreis Digitaler Wandel gegründet. Er tagt zweimal jährlich, die Ergebnisse der themenbezogenen Sitzungen werden aufbereitet und den Betrieben zugänglich gemacht.

Vermarktungsplattform

Erste Erfahrungen auf dem Markt haben die Gründer des Unternehmens MeatApp Bonn, Konieczny und Rühl GbR (www.meatapp.de). Das junge Unternehmen bietet Fleischereien einen Versandservice an. Ziel ist es dabei, dem Fleischer die meisten Aufwendungen, die mit dem Versand von Produkten verbunden sind, abzunehmen. Meatapp nutzt eine Internetplattform und perspektivisch eine dazugehörige App, die sich an den Verbraucher wendet und auf der Produkte aus dem Fleischerhandwerk angeboten werden. Die Fleischerinnen und Fleischer präsentieren sich mit ihren Produkten und Ihren Geschichten. Bestellt ein Kunde, so erhält der Fleischer einen Auftrag mit Lieferschein von Meatapp. Er verpackt die Ware in ebenfalls bereitgestelltes, nach ökologischen und lebensmittelhygienischen Kriterien ausgewähltes Verpackungsmaterial und lässt sie bei sich abholen. Das Inkasso wird von Meatapp übernommen.

Das Angebot von Meatapp wurde vom Strategiekreis als sehr gut durchdacht und praxisnah in der Anwendung bewertet. Es ist sowohl für Fleischereien interessant, die bereits einen eigenen Online-Shop betreiben, als auch für Unternehmen, die in diesem Bereich keine Erfahrungen haben. Ein Einstieg bei Meatapp ist mit einem sehr übersichtlichen finanziellen Risiko möglich. Mittelfristig wird der zu erwartende Umsatz davon abhängen, wie gut es Meatapp gelingt, sein Angebot bei den Verbrauchern bekannt zu machen.

LiveTV vom Bauernhof

Tierwohl tv ist ein Angebot der Blue Lavel GmbH, die sich mit Vermarktungsformen aller Art befassen. Ziel von Tierwohl TV ist es, Verbrauchern im Verkaufsbereich per LiveTV eine ungeschönte Sicht in die Haltungsbedingungen und Lebensverhältnisse der Tiere zu geben, deren Fleisch sie kaufen wollen. Hierzu ist eine dichte Zusammenarbeit mit dem Landwirt notwendig. Beim Landwirt werden Kameras installiert, die zu definierten Zeiten Live-Bilder auf den Monitor des Fleischers senden. Kosten entstehen sowohl dem Landwirt als auch dem Fleischer. 

Das Angebot von Tierwohl TV ist, so der Strategiekreis, insbesondere dann interessant, wenn besondere Haltungsformen, etwa Strohschweine, gezeigt werden können oder wenn ein persönlicher Zugang des Kunden zum Landwirt nicht möglich ist. Entsprechend interessant erscheint es insbesondere für Filialisten in urbanen Räumen.

Roboter als Verkäufer

Roberta ist eine Automaten-Verkaufseinheit des Unternehmens Kirschenhofer aus Nersingen. Diese robotergesteuerte Verkaufsbox kann stationär oder mobil konzipiert werden. Die Verkaufsbox ist individualisierbar und kann bis zu 65.000 Artikel fassen, die mit Hilfe eines Roboters aus den Regalen genommen und in eine Ausgabe an der Box an den Kunden übergeben werden können. Die Box kann 24 Stunden an 7 Tagen geöffnet sein, ist gekühlt und kann auch online angesteuert werden, etwa um Vorbestellungen aufzunehmen.

Die Lösung des Unternehmens Kirschenhofer wurde als interessant angesehen, gerade in Zeiten, in denen Verkaufspersonal knapp ist. Die Investitionen sind nicht unbedeutend, jedoch niedriger als bei der Eröffnung einer Filiale. Diese Verkaufslösung ist so futuristisch, dass dem Strategiekreis eine endgültige Bewertung ohne die Besichtigung einer bereits aufgestellten und laufenden Verkaufsbox schwerfällt. 

Digitale Zeiterfassung

Eine praktische Lösung für die Personalerfassung und -steuerung bietet Megzeit an. Hierbei handelt es sich um eine biometrische Erfassung des Personals und eine damit verbundene einfache und sehr zeitsparende Auswertung der Anwesenheitszeiten am PC. Die Lösung wurde vom Strategiekreis als sehr effektiv angesehen. Es solle jedoch bedacht werden, so der Strategiekreis, dass eine verschärfte Auslegung der Datenschutzverordnung hier zu Einschränkungen in der Erfassung führen könnte.

Die Vorbestell-App

Die „Vorbestell-App“ ist eine individualisierte App, die auf dem Smartphone der Kunden installiert wird und mit der die Kunden in ihrer Fleischerei jederzeit Bestellungen aufgeben können. Die Bestellungen können dann entweder zu einem festgelegten Zeitpunkt abgeholt oder aber geliefert werden.

Der DFV hat sich von zwei Anbietern eine solche App vorführen lassen. Je nach Anforderung können die App der Dr. Schreder Consulting und die App des B&L-Verlages als reine Vorbestell-App genutzt werden oder sie können in unterschiedlicher Tiefe in ein digitales Gesamtkonzept des Fleischerbetriebes integriert oder zu einem solchen erweitert werden. 

Beide Anbieter konnten mit ihrer App-Lösung überzeugen. Der Nutzen einer solchen App wurde vom Strategiekreis als groß erkannt:

  • Kundenbindung. Die App wird individuell für die Fleischerei gestaltet. Die Kunden der Fleischerei können über die App jederzeit, einfach und direkt auf deren Angebot zugreifen. Wird zudem der Push-Service genutzt, können Angebote oder Informationen direkt an den Kunden gesendet werden.
  • Zeitersparnis. Sowohl bei der Bestellannahme als auch bei innerbetrieblichen Prozessen wird Zeit gespart. Die Bestellung über die App wird entweder direkt in der jeweiligen Filiale ausgedruckt oder kommt als Mail. Alle Bestellungen werden archiviert.
  • Zusatzverkäufe. Die Vorlage des gesamten Sortiments beim Kunden und die Möglichkeit der Push-Nachrichten führen bei vielen Nutzern zu einem höheren Einkaufsvolumen.
  • Flexibilität. Die Kunden können ihre Einkaufswahl auch außerhalb der Geschäftsstunden vornehmen. Dadurch werden Abwanderungen verhindert.
  • Geringere Wartezeiten. Kunden, die vorbestellt haben, brauchen nicht so lange vor dem Laden zu stehen und verkürzen den Verkaufsprozess.
  • Einfache Bedienung. Sowohl die Eingabe der Daten als auch die Weitergabe der App sind sehr einfach und benötigen keine besonderen EDV-Kenntnisse. Es ist keine spezielle Software notwendig.
  • Übersichtliche Kosten. Die Kosten für die App fallen monatlich und bei der Installation an. Es werden Sonderkonditionen für Innungsmitglieder angeboten.

Die Gäste-Erfassung

Im Zuge der Corona-Krise müssen sich Gäste, die ein Restaurant oder einen Imbiss besuchen, mit Ihrem Namen und, je nach Bundesland, mit zusätzlichen Daten zu ihrer Person anmelden. Dies erfolgt in der Regel über einen handschriftlichen Eintrag. Ziel ist es, im Falle einer Erkrankung kurzfristig mögliche Kontaktpersonen zu ermitteln, um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.

Der B&L-Verlag bietet einen Gästeerfassungsservice, der die Anmeldung sowohl für den Gast als auch für den Gastgeber erheblich erleichtert. Die automatische Datenerfassung ist länderspezifisch und DSGVO-konform. Das System ist unkompliziert und kann einfach gemietet werden. Für Innungsmitglieder sind Rabatte vorgesehen.

Bargeldloses / kontaktloses Bezahlen

In Zusammenarbeit mit dem Strategiekreis Digitaler Wandel beim DFV hat die REA Card GmbH aus Mühltal im Odenwald ein Angebot zum bargeld- und kontaktlosen Bezahlen entwickelt, das Innungsbetrieben exklusiv zur Verfügung steht. Es ist für Neueinsteiger ebenso interessant wie für Betriebe, die bereits Kartenzahlung in ihren Geschäften anbieten. Es umfasst unter anderem kostenlose Leistungen wie eine Beratung sowie, sofern der Mitgliedsbetrieb bereits bargeldloses Bezahlen anbietet, eine Prüfung der bisherigen Konditionen.

Die im DFV-Paket angebotenen Geräte bieten alle gängigen bargeldlosen Zahlungsarten, also PIN basiertes EC-Cash, Kreditkarten oder Lastschriftverfahren und das auch kontaktlos. Zudem können Kunden mit diesen Geräten auch mit ihrem Smartphone bezahlen, sie sind für Google Pay (mit dem Besitzer eines Android-Handys seit neuestem auch mit PayPal zahlen können) und Apple Pay geeignet.

Infoblatt

Bares wird Rares (afz-Artikel zum Thema vom 08. November 2018)

WhatsApp als betriebsinterner Kommunikationskanal

Die Idee stammt von Fleischermeister Dirk Ludwig aus Schlüchtern, weiterentwickelt hat sie DFV-Betriebsberater Axel J. Nolden: Ein System, das den täglichen Informationsaustausch in einer handwerklichen Fleischerei vereinfacht, beschleunigt und nachvollziehbarer gestaltet. Ein System, das dazu mit einem kleinen Budget eingerichtet werden kann und das weitgehend ohne aufwändige Mitarbeiterschulungen auskommt, weil es auf einer Anwendung basiert, die ohnehin fast jeder Besitzer eines Smartphones täglich nutzt: WhatsApp.

Mehr Informationen


Informationstag zum digitalen Wandel

Wie wirkt sie sich der digitale Wandel jetzt und in Zukunft auf die Betriebe des Fleischerhandwerks aus? Der Deutsche Fleischer-Verband ging diesen Fragen im Rahmen eines Informationstages in Frankfurt auf den Grund.

Ein Ziel der Veranstaltung mit dem Titel „Digitaler Wandel im Fleischerhandwerk“ war, ein möglichst breites und umfassendes Bild der Lage zu vermitteln und den Blick der Unternehmer im Fleischerhandwerk für den digitalen Wandel zu schärfen. Denn er bietet gerade kleinen und mittleren Betrieben eine Menge Chancen.

Deswegen kamen bereits im September 2017 Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen, um sich den Auswirklungen des digitalen Wandels auf das Fleischerhandwerk zu widmen. Wissenschaft und Handwerksorganisationen waren ebenso vertreten wie Fachleute aus IT-Firmen und Start-Up-Gründer. Dazu kamen Handwerksbetriebe, die bereits erste Erfahrungen mit dem Thema gesammelt haben.

Die Höhepunkte der Veranstaltung sowie Eindrücke von Referenten und Besuchern sind auf dem YouTube-Kanal fleischerhandwerk.digital verfügbar.