Fleischerhandwerk ist anders

Frankfurt am Main, 25. Juni 2020. Das Fleischerhandwerk verfolgt mit Sorge die Entwicklung, die sich aus den vermehrten Corona-Infektionen bei Mitarbeitern großer Unternehmen der Fleischindustrie ergeben hat. Herbert Dohrmann, Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV), der rund 11.000 Handwerksfleischereien vertritt, betont: „Von den betroffenen Unternehmen ist zu fordern, dass sie ihrer Verantwortung in jedem Fall gerecht werden und sie nicht an andere abgeben.“
 
Der DFV verweist darauf, dass im Handwerk grundsätzlich anders gearbeitet wird als in vielen Industriebetrieben. Die meisten Fleischereien haben zwischen 10 und 25 Mitarbeiter. Diese Menschen sind hochqualifiziert und arbeiten in festen, langjährigen Angestelltenverhältnissen. Dohrmann: „Das ist der Grund dafür, weswegen wir mit einem gewissen Stolz von Familienunternehmen sprechen.“ Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung kommen im Fleischerhandwerk praktisch nicht vor.
 
Das Handwerk beklagt seit langem den ständigen Drang nach dem „Immer-Billiger“ und „Immer-Mehr“. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass die aktuellen Vorgänge dazu geführt haben, sehr ernsthaft über mehr Wertschätzung für Fleisch zu sprechen. Dohrmann: „In der Politik wird nun die Forderung nach der Schaffung von regionalen Vermarktungsstrukturen laut. Diese regionalen Kreisläufe gibt es seit langer Zeit, sie geraten aber immer mehr unter Druck, nicht zuletzt durch politisches Handeln.“
 
Es gehört zum Grundproblem, dass diese regional gewachsenen, funktionierenden Strukturen oft nicht ausreichend wahrgenommen werden. Es muss auf breiter Front verstanden werden, dass es große Unterschiede sowohl in der Landwirtschaft als auch bei Lebensmittel verarbeitenden Betrieben gibt. Dohrmann: „Das traurige ist, dass das politische Handeln nicht mit den Bekenntnissen der Politiker zusammenpasst.“ Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzen, die die Kleinen klar benachteiligen. Als Beispiele nannte der Verband Kontroll- oder Entsorgungsgebühren, die für Handwerksunternehmen ein Vielfaches dessen betragen, was Industriegiganten zahlen. Dohrmann: „Das ist kein Naturgesetz, sondern politisch gemacht. Wer die regionalen Strukturen auf diese Weise schwächt, der darf sich nicht beklagen, wenn am Ende nur die Großen übrigbleiben.“ Der Deutsche Fleischer-Verband fordert deswegen die Beseitigung von Benachteiligungen und faire Rahmenbedingungen. 

Das Fleischerhandwerk steht für einen hohen Anspruch hinsichtlich der Qualität des Fleischers und der hochwertigen handwerklichen Verarbeitung. Deshalb sind die Produkte hier auch teurer als anderswo. Billigfleisch wird man im Handwerk nicht finden, was nicht nur an der Arbeitsweise und den fairen Entgelten an die Belegschaft liegt. Auch den Partnern aus der Landwirtschaft zahlt das Handwerk angemessene und auskömmliche Preise.
 
Den Verbraucher für Fehlentwicklungen mitverantwortlich zu machen, davon hält DFV-Präsident Dohrmann nichts. Im Gegenteil: „Der Verbraucher wird kritischer, und das ist gut so. Wir müssen ihn in dieser Einstellung bestärken.“ Je besser die Kunden informiert sind, desto mehr tritt der Preis hinter den Qualitätsanspruch zurück. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass man uns fragen kann. Eine Plastikverpackung im Supermarkt gibt keine Auskunft, wir in unseren Fachgeschäften schon.“ Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass es eine echte Wahl gibt. „Jeder Verbraucher kann für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist, der billigste Preis oder der Mehrwert, der auch mehr kostet.“