Auch in diesem Jahr selbstbewusst auftreten

Frankfurt am Main, 18. Januar 2017. Auf dem Fleischer-Verbandstag in Saarbrücken wurde Konrad Ammon jr., Landesinnungsmeister in Bayern, neu in das Präsidium des Deutschen Fleischer-Verbandes gewählt. Im Interview berichtet er über seine Arbeit im Ressort Lebensmittelrecht und Qualitätssicherung.

  • Herr Ammon, während der Grünen Woche stehen Themen rund um Landwirtschaft und Ernährung traditionell im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Welche davon betreffen das Fleischerhandwerk am stärksten?
    Unsere Großthemen sind zurzeit in jedem Fall die Ferkelkastration beziehungsweise die Ebermast. Hieran arbeiten wir auf Bundes- und Landesebene gerade vorrangig. Letzte Woche hat der bayerische Bauernverband ein Positionspapier vorgelegt, dem wir uns inhaltlich anschließen. Aber ich gehe davon aus, dass wir uns das ganze Jahr und darüber hinaus mit diesem Themenkomplex intensiv beschäftigen werden.

    Wie sieht denn der Standpunkt des DFV dazu aus?

    Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass eine Kastration schmerzfrei passieren muss. Zudem sollte das Verfahren aber einfach und vom Landwirt vor Ort selbst durchführbar sein. Alles andere würde viele kleine und mittlere Betriebe existenziell bedrohen, was wiederum für uns Metzger nachteilig wäre. Wir benötigen gesunde, lebensfähige Strukturen in der Region. Daher muss jede Lösung praxisnah anwendbar und vor allem rechtssicher sein. Sicherheit brauchen wir auch für die Kollegen, die Teilstücke zukaufen. Wenn zunehmend auch Eber gemästet werden, müssen sie zuverlässig darüber informiert sein, von welchen Tieren ihr Fleisch stammt. Hierzu müsste sich auch die Politik bewegen, zumal die mit dem Verbot der betäubungslosen Kastration verbundenen Probleme so offensichtlich sind.

    Wie wollen Sie seitens des DFV diese Themen angehen?

    Wichtig ist, hier mit allen Beteiligten und Partnern in den Dialog einzusteigen. Das findet schon statt, wir sind in engem Austausch mit der Politik und unseren Partnern in der Landwirtschaft. Mein Eindruck ist, dass wir unseren Standpunkt vor allen gegenüber der Politik noch deutlicher machen müssen. Es wird immer viel ge- und versprochen, in der Realität passiert dann oft genau das Gegenteil. Trauriges Lieblingsbeispiel ist immer das von dem Einkaufszentrum auf der grünen Wiese, das entgegen der Beteuerungen, wie wichtig eine lebendige Innenstadt sei, trotzdem gebaut wird. So ist es jetzt mit den kleinen Bauern und den mit ihnen zusammenarbeitenden Schlachthöfen und Metzgereien. Ich kann hier nur warnen: Wenn diese Strukturen einmal zerstört sind, kommen sie nicht wieder. Der Metzger, der einmal die eigene Schlachtung aufgegeben oder seinen Laden zugesperrt hat, geht nicht wieder zurück. Das Tragische ist, dass mit jedem Betrieb, der verloren geht, ein Stück Individualität verschwindet. Und diese Freiheit, unter vielen einzigartigen Anbietern von Lebensmitteln wählen zu können, hat für mich viel mit Lebensqualität zu tun. Sie leidet, wenn es nur noch Einheitsbrei gibt, ganz beträchtlich. Die EU-Zulassung hat viele Ein-Raum-Metzger zur Aufgabe der eigenen Schlachtung oder ihres Betriebes gebracht. Dass man jetzt, Jahre später, die Regelungen lockert und das auch noch als Zugeständnis feiert, ist im Grunde zynisch. Wie gesagt, einmal zerstörte Strukturen lassen sich nicht wieder aufbauen.

    Sind diese Entwicklungen für Sie der Auslöser gewesen, sich noch stärker im fleischerhandwerklichen Ehrenamt zu engagieren?
    Der Grund, warum ich vor über 20 Jahren Obermeister geworden bin, war, dass ich mitgestalten wollte. Das wird bei vielen meiner Kollegen Obermeister ganz genauso sein. Denn wer etwas ändern will, muss sich engagieren. Sonst muss er mit dem leben, was andere entschieden haben. Inzwischen ist eine weitere, starke Triebfeder hinzugekommen. Ich denke oft daran, was wir den Generationen nach uns hinterlassen. Ihnen gegenüber fühle ich eine starke Verpflichtung, möchte unseren Nachfolgern den Weg bereiten. Noch etwas: Auch vor zwanzig Jahren war die Branche großen Änderungen unterworfen, Dinge ändern sich ganz selbstverständlich. Aber die Zeitabstände, in denen dies passiert, werden gefühlt immer kürzer. Ich halte es daher für eine der wichtigsten Aufgaben des Ehrenamtes, die Kollegen zu informieren, sie in gewisser Hinsicht in Bewegung zu halten und sie zum Blick über den Tellerrand anzuregen.

    Mit Ihrer Wahl ins Präsidium des DFV eröffnen sich Ihnen ganz neue Möglichkeiten, für das Fleischerhandwerk zu wirken. Wie wollen Sie hier vorgehen?
    Ich bin der Überzeugung, dass eine Standesvertretung durchgängig sein muss, alle Ebenen müssen verzahnt sein und Kommunikation in beide Richtungen stattfinden. Genauso, wie die Innung von heute auch eine Dienstleisterin ist, muss auch der Rest der Organisation seinem Mitglied Vorteile verschaffen. Dabei meine ich vor allem einen Informationsvorsprung, einen Wissensvorsprung, der durch die Fachleute in Landesverband und DFV geschaffen wird. Mit gut informierten Kollegen lässt sich besser diskutieren – und diskutieren müssen wir, mit möglichst vielen Kollegen, um hinterher Entscheidungen treffen zu können, die von vielen getragen werden. Wir werden es dann nicht allen Recht machen können, zumindest aber der Mehrheit. Eine weitere, nicht zu unterschätzende Form der Verbandsarbeit möchte ich ebenfalls erwähnen: Das politische Lobbying. Je weiter oben man hier ansetzt, desto vielschichtiger wird hier die Lage. Ich habe das als neugewählter Vertreter des DFV-Präsidiums selbst erfahren können. Die Zahl der Beteiligten und deren Interessen vervielfältigt sich, wenn man von München nach Berlin geht. Deshalb ist ehrenamtlicher Einsatz auf jeder Ebene wichtig, jeder Obermeister kann mit seinem Landtags-, Bundestags- oder Europaabgeordneten sprechen und ihn auf die Lage des Fleischerhandwerks aufmerksam machen.

    Wie realistisch schätzen Sie die Chancen ein, dass sich in Berlin etwas zu Gunsten des Fleischerhandwerks etwas bewegt?
    Für uns bedeuten Ebermast und Ferkelkastration sowie fast alle anderen Themen aus meinem Ressort das Bohren von dicken Brettern. Lösungen, die hier erzielt werden, sind immer Kompromisse. Viele Beteiligte wollen ihre Interessen durchsetzen, manchmal zum Wohle der Menschen, zum Wohl der Tiere, manchmal, um ihre politische Agenda voranzutreiben oder um sich im Politikbetrieb zu profilieren. Hier kommt es auf geschicktes Verhandeln an, nicht auf lautes Poltern – obwohl auch das in manchen Situationen hilfreich sein kann. Aber mit dem Kopf durch die Wand funktioniert hier nicht. Selbstbewusstes Auftreten und klare Positionen schon eher. Eine große Hilfe ist auch, wenn unsere Verhandlungspartner wissen, dass unsere Mitglieder geschlossen hinter uns stehen und in ihrem Wahlkreisbüro böse Briefe vom örtlichen Obermeister auf sie warten, wenn sie die Interessen des heimischen Fleischerhandwerks vernachlässigen. Um Ihre Frage zu beantworten: Konkret möchte ich bei Ebermast und Ferkelkastration zwei Ziele für das Fleischerhandwerk erreichen. Erstens müssen die direkten Partnerschaften zwischen landwirtschaftlichen und fleischerhandwerklichen Betrieben bestehen bleiben. Ein massenhaftes Absterben der kleinen und mittleren Strukturen auf Erzeugerseite muss verhindert werden. Zweitens muss es beim Zukauf garantiert werden, dass ich das Fleisch bekomme, was ich auch bestellt habe. Am Ende lautet die große Frage für alle Betriebe des Fleischerhandwerks: Wo bekommen wir in Zukunft unsere Ware her? Es wird meine Aufgabe sein, diese Frage zufriedenstellend zu beantworten.
     
    Das Interview ist in der afz allgemeine fleischer-zeitung erschienen.

    Druckfähiges Bild

  • Zurück